Heinrich Siefer, Cloppenburg, Niedersachsen
Welche Bedeutung hat deine Muttersprache für dich und was magst du besonders an dieser?
Meine Muttersprache ist Plattdeutsch. Mit ihr verbinde ich die Stimmen und Gesichter der Menschen, mit denen ich aufgewachsen bin. Eltern, Geschwister, Großeltern, die Nachbarn im Dorf, Zuhause, Bilder, Gerüche, Erlebnisse. Vor allem verbinde ich mit ihr ein Gefühl von Geborgenheit und Angenommen sein. Ich kann gar nicht sagen, was ich besonders an ihr mag. Sie gehört einfach zu mir und ich bin dankbar, dass ich diese erste Sprache gelernt habe. Wenn ich ihren Klang höre, vermittelt sie selbst in einer eher fremden Umgebung ein Gefühl von Geborgenheit. Und weckt gleich Erinnerungen.
Welche Vor- und Nachteile hatte es für dich mit Plattdeutsch als Muttersprache aufzuwachsen?
Ich hatte keine Nachteile. Plattdeutsch war die Verkehrssprache in unserem Dorf. Sie war alltäglich. Hochdeutsch hörte ich im Radio, in der Kirche und erlernte sie mit den anderen Kindern aus unserem Dorf in der Schule. Auf dem Pausenhof wurde dann wieder miteinander Plattdeutsch gesprochen. Ich habe es eher als Vorteil erlebt, mit zwei Sprachen aufzuwachsen. Mir war es dadurch Mehrsprachigkeit auch vertrauter. Ich glaube sogar, dass ich dadurch auf andere Sprachen neugieriger geworden bin.
Wie gibst du deine Muttersprache weiter?
Ich spreche nach wie vor mit meiner Familie Plattdeutsch, mit den Geschwistern, Nichten, Neffen, Schwägerinnen und Schwagern, habe sie auch mit meinen Kindern gesprochen. Ich benutze sie im Alltag in allen Situationen, wo ich mit Plattdeutschsprecher*innen zusammenkomme: in der Nachbarschaft, am Arbeitsplatz, Vereinsarbeit. Ich verfasse plattdeutsche Kolumnen für Tageszeitungen, Journale, Wochenzeitungen und gehöre zu den Sprecher*innen von plattdeutschen Andachten im Rundfunk (NDR 1 Niedersachsen). Auch beruflich spielt Plattdeutsch bei mir eine große Rolle. Ich arbeite in einer Akademie und verantworte dort den Fachbereich Plattdeutsch und biete Familienseminare zum Erlernen der plattdeutschen Sprache an, auch Seminare für Pflegekräfte, die in ihrem beruflichen Alltag die plattdeutsche Sprache einsetzen möchten. Ich schreibe Gedichte und Erzählungen in plattdeutscher Sprache, um auch auf diesem Weg meine Muttersprache weiterzugeben.
Warum und wie engagierst du dich für deine Muttersprache?
Weil sie meine Muttersprache ist! Sie ist für mich neben den vielen anderen Sprachen der Welt eine gleichwertige Sprache, die die Themen der Welt in Sprache setzen kann. Ich bin auf unterschiedlichen Ebenen ehrenamtlich für die plattdeutsche Sprache tätig: Leiter der Arbeitsgemeinschaft niederdeutsche Sprache und Literatur bei der Oldenburgischen Landschaft, Sprecher der Fachgruppe Niederdeutsch im Niedersächsischen Heimatbund, niedersächsischer Vertreter im Bundesrat für Niederdeutsch, Beauftragter für plattdeutsche Verkündigung im Rundfunk (NDR 1 Niedersachsen); Arbeitsgemeinschaft Plattdüütsch in de Kark, Vorbereitung und Gestaltung von plattdeutschen Gottesdiensten im gemeindlichen Kontext; Mitglied im Schrieverkring Weser-Ems; Herausgeber von plattdeutschen Büchern.
Wo siehst du den größten Bedarf um den Erhalt des Plattdeutschen zu gewährleisten?
Mein Wunsch ist es, dass Plattdeutsch als grundständiges Unterrichtsfach in allen Schulformen in den plattdeutschen Sprachregionen angeboten wird. Nur so wird sie sich auf Dauer als gleichwertige Alltagssprache erhalten und entwickeln können. Dafür braucht es natürlich auch Studiengänge an Universitäten.
Welchen Tipp würdest du Interessierten geben, die Plattdeutsch lernen möchten?
Plattdeutsche Beiträge im Rundfunk und/oder in den sozialen Netzwerken anhören, plattdeutsches Theater besuchen, sich mit Plattdeutschsprecher*innen treffen und miteinander sprechen lernen. Sprachkurse an Volkshochschulen belegen.