Im Gespräch mit Astrid Flügge, Verein für Niederdeutsch im Land Brandenburg e.V.
Der Verein für Niederdeutsch im Land Brandenburg e.V. hat ein Kooperationsprojekt mit verschiedenen Bibliotheken gemacht. Wie sah das Projekt konkret aus?
In Brandenburg gibt es eine recht dichte Bibliothekslandschaft in Städten und Gemeinden. Was liegt näher, diese als öffentliche Orte mit Zugangsmöglichkeiten zur Regionalsprache Niederdeutsch zu nutzen? Auf der Suche nach niederdeutscher Literatur muss man sich in Brandenburg normalerweise durch die Register arbeiten. Extra Bereiche in der Bibliothek gab es anfangs nur in Prenzlau, wo in den 90er Jahren eine Arbeitsstelle für Niederdeutsch entstanden war. Mit den zusammengetragenen Beständen und einer Förderung durch das Kulturministerium konnte moderne Literatur und Technik angeschafft werden und 2020 zum Muttersprachentag die erste Plattdüütsch Eck offiziell eröffnet werden. Der Name geht auf den populären, uckermärkischen Dichter Max Lindow zurück, der unter dieser Bezeichnung eine regelmäßige Zeitungskolumne führte. Parallel dazu entstanden niederdeutsche Literatur-Sammlungen in Wittstock und Putlitz. Als weitere Anlaufstellen haben wir vier Orte ins Visier genommen: Putlitz in der Prignitz und Großderschau im Havelland, wo es schon Sammlungen gab sowie Kyritz (Prignitz) und Jüterbog (Fläming), wo noch nichts vorhanden war. Mit den Einrichtungen haben wir individuell den Bedarf ermittelt und eine passende Plattdüütsch Eck eingerichtet.
Welches Ziel verfolgt der Verein mit dem Projekt?
Uns ist es wichtig, die Regionen und die Gruppen zu stärken, die sich aktiv für die Regionalsprache einsetzen. Bisher treffen sich die Plattsprecher meist an wechselnden Orten, arbeiten privat und mit eigenen Texten und wenig überegionalem Austausch. Mit den Plattdüütsch Ecken schaffen wir feste Anlaufpunkte an eingeführten öffentlichen Begegnungsstätten. Das sind meist Bibliotheken. Der Umgang mit Sprache ist hier Alltag. In Großderschau ist es hingegen das Heimatmuseum vor Ort, in dem sich die Plattsprecher aber schon seit Jahrzehnten treffen. Hier ist ein gemütlicher Treffpunkt entstanden, den wir auch mit Literatur für Kinder erweitern konnten.
Plattecken sind gut für Menschen, die neugierig auf das Niederdeutsch sind und Kontakt zu den Sprechern suchen. Dem ehrenamtlichen Plattfreund vor Ort stehen etablierte Veranstaltungsorte mit Infrastruktur, teilweise modernen Medienzentren, verlässlichen Partnern und breiten Öffnungszeiten zur Verfügung. Wir erweitern und verbessern damit auch das Netzwerk des Landesvereins durch neue Partner in den Bibliotheken und Rathäusern, da es sich meist um kommunale Einrichtungen handelt. Auch mit dem Bibliotheksverband des Landes haben wir Kontakt aufgenommen.
Welche Bücher sind zum Beispiel im Medienturm zu finden?
Die Ausstattung der Plattdüütsch Ecken haben wir den Gegebenheiten vor Ort angepasst und mit den jeweiligen Einrichtungen abgestimmt. Der rollende Medienturm erwies sich als ideal für Putlitz, da er flexibel im bestehende Regalsystem eingesetzt werden kann. Er lässt sich zum Beispiel bei einem Projekt mit Schülern zur bestehenden Sitzgruppe fahren. Der Medienturm ergänzt die Plattdeutsche Sammlung für Erwachsene mit Lektüre für Kinder, dazu ein Abspielgerät. Noch sind es in erster Linie Bücher und CDs, weitere Medien sind integrierbar. Ein Klassensatz der Brandenburger Plattfibel gehört dazu, verschiedene Kinderbuchklassiker in plattdeutschen Versionen, Bücher und Hörbücher mit Gedichten und Texten von Max Lindow, dem uckermärkischen Dichter. Dann auch Dat Grote Speel von Heike Wiechmann, De gefährliche Utritt, As de Clown de Grip har, Uckermärkische Sagen, Kasper un Klabauterkatt von Susanne Bliemel und Mäh, Maa, Möh. Da es um eine Grundausstattung ging, haben wir zunächst die aktuellen Plattdeutsch Wörterbücher von Sass und Renate Hermann-Winter aufgenommen. Der Bestand soll aktuell erweitert werden, wobei wir gern Empfehlungen aufgreifen.
Warum ist es wichtig insbesondere Kindern Zugänge zu plattdeutschen Büchern zu ermöglichen?
Brandenburg hat sehr mit der Überalterung der Plattsprecher zu tun und ihre Zahl schrumpft. Zwei Generationen sind ohne Platt selbst zu sprechen herangewachsen. Um überhaupt dem märkischen Platt eine Chance zu geben, müssen wir die Kinder und ihre Eltern erreichen. Das schaffen wir in der Bibliothek und in der Schule. In Putlitz beteiligen sich Kinder seit Jahren immer wieder an Lesewettbewerben und plattdeutsche Schulprojekten. Auch aktuell – daran knüpfen wir an und bieten jetzt eine passende Belletristik-Auswahl und Lesungen in der Bibliothek an.
Haben schon weitere Bibliotheken Interesse an einer plattdeutschen Kinderecke signalisiert?
Unsere Plattdüütsch Ecken werden gut angenommen, aber die Corona-Situation hemmt unsere Aktivitäten. Wir bereiten aktuell einen Leseherbst vor, um die Orte mit Platt Eck populär zu machen und die Potentiale zu zeigen. Lesungen für Erwachsene und ein Liederprojekt mit Bezug zur Platt Eck sind in der Schule vorgesehen. Das wird die Idee weiter bekannt machen und andere Plattsprecher mobilisieren.
Außerdem bereiten wir im Herbst in einer Werkstatt an der Wittstocker Bibliothek plattdeutsche Schulprojekte für Kinder und Jugendliche vor. In etwa zweistündigen Programmen sollen Kinder Niederdeutsch in Verbindung mit Büchern erleben können. Der Brandenburgische Bibliotheksverband wird diese Projekte dann in den internen Angebotskatalog aufnehmen, sodass diese andernorts nachgenutzt werden können.
Welches plattdeutsche Buch würdest du zum Welttag des Buches verschenken, um Kinder spielerisch ans Plattdeutsche heranzuführen?
Ich empfehle für das Lesealter „The three Pigs“– das dreisprachige Buch des Amiguitos-Verlages. Gute Erfahrungen haben wir außerdem mit dem Bilderbuch „Mien eersten dusend Wöör“ und der niederdeutschen Version der kleinen Raupe Nimmersatt gemacht.