Im Auftakt-Workshop 2023 im Rahmen unserer Jungen Lüüd-Veranstaltungen haben wir viel über Möglichkeiten politischer Einflussnahme einzelner Akteure erfahren. Wir hatten dazu die Experten Anna-Konstanze Schröder aus dem mecklenburg-vorpommerischen Landtag und Měto Nowak, Referent des Beauftragten für Angelegenheiten der Sorben/Wenden beim Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kultur des Landes Brandenburg, eingeladen. Die Präsentation von Měto Nowak kann man sich hier online anschauen. Im folgenden beschreiben wir, was wir daraus mitgenommen haben, und wie wir die Anregungen für unsere Situation anwenden können.
Politik sind nicht bloß ‚die da oben‘, sie fängt schon bei jedem Einzelnen an.
Als Sprachgruppe und Interessierte der niederdeutschen Sprache sollten wir uns bewusst machen, dass Politiker:innen häufig nicht ohne zivile Unterstützung, Hinweise und Anregungen zu Maßnahmen zur Plattdeutsch-Förderung motiviert werden. Deshalb gleich eine Bürgerinitiative zu starten oder einen neuen Verein zu gründen ist allerdings noch gar nicht notwendig. Oftmals reicht es schon aus, sich zunächst an lokale Politiker:innen zu wenden, bspw. Bürgermeisterinnen oder die Landes- und Bundesvertreter als auch die Bürgersprechstunden zu nutzen. Denn die Belange aller Mitbürgerinnen bis Mitbürger haben auch hauptberufliche Politiker:innen nicht immer präsent vor Augen.
Für solche Gespräche oder Mitteilungen per Brief oder Mail empfiehlt es sich, konkrete Ziele zu haben und bestenfalls auch Argumentationen mitzuliefern, die für diese Ziele sprechen. Dabei muss bedacht werden, dass politisch nicht alles, was wir uns wünschen, bewerkstelligt werden kann. Wenn wir wollen, dass mehr Platt im Alltag gesprochen wird, ist dies etwas, das schwerlich von politischer Seite gesetzlich verankert werden kann. Dafür sind die Sprachgruppe und vor allem die Sprechenden selbst zuständig. Dieses Ziel wäre zudem zu ungenau formuliert, liefert keine genauen Eckpunkte, die sich für die Erfüllung operationalisieren ließen und es ist kein klar gestecktes Ziel genannt, ab welcher Sprecherzahl oder in welcher Menge man sprechen müsste, um das Ziel als erfüllt zu sehen. Denn bei genauerer Konkretisierung ergibt sich, dass die unterschiedlichen Wünsche und Anliegen in verschiedene Verantwortungsbereiche fallen – dies kann von der Sprechergruppe selbst, über die Kommunen, das Bundesland bis hin zum Bund gehen.
Man muss nicht gleich in die Berufspolitik gehen.
Mit den jungen Lüüd haben wir bereits letztes Jahr unsere Forderungen auf Bundesebene in der Berliner Verkloren zusammengefasst, die es hier sowohl auf Hochdeutsch als auch auf Platt nachzulesen gibt: Berliner Verkloren. Darin kann man Anregungen oder Argumentationen finden, die jede/r gerne verwenden kann. Man muss auch bedenke, dass Niederdeutsch für die meisten kein politisches Top-Thema, sondern eher ein Nischenthema ist. Genau das könne jedoch auch von Vorteil sein – gerade dann, wenn genügend Unterstützende dahinter stehen. Von daher ist es immer hilfreich, sich mit Gleich- oder Ähnlichgesinnten zusammenzuschließen. Informiert euch, welche Vereine es bereits mit eurem oder ähnlichen Anliegen gibt und unter welchem Dachverband man als Initiative ansprechbar ist. Dabei gilt es abzuwägen, ob es mehr Sinn ergibt, einen Verein neu zu gründen, wenn es für das Thema noch keinen Verein gibt, oder sich einem bereits existierenden Verein anzuschließen, wenn sich dadurch eine möglichst große Gruppe zusammenfinden lässt. Deswegen eignet sich ein inhaltlich breit aufgestellter Verein besser ein Anliegen zu vertreten, anstatt eine zu weit gesplitterte Vereinslandschaft zu riskieren. Außerdem sind das Niederdeutschsekretariat und der Bunnsraat för Nedderdüütsch gute Ansprechpartner, die euch unterstützen oder an andere Initialzünder in eurer Region weiterleiten können.
Plattdeutsch ist häufig ein Thema für schönes Wetter. Dies bemerkt man häufig, wenn die niederdeutsche Sprache lediglich verwendet wird, um von ihrem gestiegenen Prestige zu profitieren. Häufig wird die Bedeutung der Sprache und deren Notwendigkeit für ihren Schutz herausgestellt, ohne dass konkrete Taten folgen. In diesem Falle kann man die Politiker:innen an ihr Wort erinnern, sich für die Sprache einzusetzen. Darüber hinaus gibt es Möglichkeiten für Bürgerinitiativen, Unterschriftensammlungen oder Online-Petitionen. Allerdings ist es schwierig, mit Online-Petitionen eine lokale Mehrheit abzubilden.
Gerade in den Kommunen können von allen Bürger:innen und Initiativen Ideen für das Bürgerbudget oder den Bürgerhaushalt eingebracht werden. Mit guten Gründen und Zielen sind auch Protestaktionen oder Demonstrationen als demokratische Teilhabe und zur Sichtbarmachung eines Anliegens möglich. Außerdem können auch Ministerien und Verwaltungen eingebunden werden. Wer sich selbst politisch für das Niederdeutsche engagieren möchte, kann dies auch über eine Parteien oder Wählervereinigung machen, oder selbst für ein politisches Amt kandidieren. Auch in zuständigen Verwaltungen und Institutionen zu arbeiten oder Menschen von dort für die Niederdeutschförderung zu gewinnen, ist für die zukünftige Niederdeutscharbeit imperativ.
Bekanntlich geht in der Politik nicht alles von jetzt auf gleich. Davon sollte sich niemand zu schnell entmutigen lassen. Ein Thema kann über mehrere Wahlperioden er- und bearbeitet werden und vor allem sollten pragmatische Lösungen gesucht werden, ganz nach dem Motto: Lieber Einstiegskompromisse eingehen als gar keine Resultate zu erlangen!